Sigur Rós – Eine Werkschau (Teil 6)
Nur noch wenig Zeit verbleibt, bis Kveikur, das neue Album von Sigur Rós, offiziell und komplett zu haben ist – und wenig Zeit verging, seit das letzte Album der Isländer veröffentlicht wurde.
Die Erwartungen waren hoch. Das erste Album von Sigur Rós seit fünf Jahren, begleitet von Filmexperimenten und der ersten ausgedehnteren Tour seit langem (übrigens endlich auch mal wenigstens in die entfernteste Nähe des Ruhrgebiets. Amsterdam war wirklich eine Reise wert (BERICHT). Da musste Valtari nun wirklich einschlagen wie eine Bombe, um es mal so zu sagen, wie ich es mir im Vorfeld der Veröffentlichung so oft gedacht habe.
Nun, die Bombe zündete nicht. Stattdessen gab’s ein Paar Rauchwolken. Der große Knall jedenfalls blieb aus (REVIEW). Der Schritt zwischen Með suð í eyrum við spilum endalaust und Valtari war ein noch größerer als der zwischen Takk… und Með suð í eyrum við spilum endalaust; wenn Með suð í eyrum við spilum endalaust „geradezu ekstatisch“ war, dann ist Valtari „eigentlich fast schon gestorben“. Denn: Irgendwie fehlt an diesem Album… viel. Zum Beispiel: Drums, Gitarren, Gesang, Spannungs- und Geigenbogen. Zwar gab es mit Varuð einen Song, der zumindest live und auf voller Lautstärke im Kontext eines Konzertes begeistern konnte, der Rest des Albums bestand aber aus Jónsi im Loop über ausufernde, beinahe vollständig schlagzeuglose Ambientpassagen gelegt. Von der früheren Explosivität war da nicht viel zu spüren, irgendwie wirkte alles halbherzig, unfertig, uninspiriert, unpassend. Natürlich, auch Með suð í eyrum við spilum endalaust klang anders als Takk… – aber trotzdem fehlte hier einfach irgendwie zu viel von dem, was Sigur Rós erst so wirklich großartig machte, worüber auch Shia LaBeoufs Penis nicht hinwegtäuschen kann. Ein langweiliges Sigur Rós Album? Hilfe. Irgendwo war da aber zumindest die Energie auf der Strecke geblieben. War diese Reduzierung auf allerminimalste, ruhigste Klangwelten erklärtes Konzept der Band oder zeigten sich hier erste Verfallserscheinungen? Jedenfalls scheinen sich auf der Ebene der Bandbesetzung wirklich konkrete Verfallserscheinungen manifestiert zu haben: Im Januar 2013 verlässt Keyboarder und Multiinstrumentalist Kjartan die Band, um sich anderen Projekten zu widmen.
Anspieltipp: Varuð. (Aber nur laut und live.)
Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich Sigur Rós entwickeln – interessanterweise scheint die Band Auftritte in Late Night Shows nicht mehr so sehr abzulehnen, wie es beispielsweise im Videoausschnitt zu Njosnavelin auf der DVD zu Heima den Anschein machte. Das bisher kurioseste Ereignis dieser Werkphase der jetzt nur noch drei Isländer scheint aber die Kooperation mit den Machern der Simpsons zu sein: Die Folge The Saga of Carl (19. Mai 2013) bescherte Fans und Zuschauern nicht nur Gastauftritte von Jónsi, Goggi und Orri, sondern auch einen eigens hergestellten Soundtrack – nebst einer Sigur Rós-Variante des Simpsons-Themesongs. Ungewöhnlich für die einst so medienscheu wirkenden Isländer. Nun, den Fans soll’s Recht sein, die Band hat jede Ehrung, sei es durch Cartoongastauftritte, und jeden dadurch zusätzlich verdienten Euro alleine schon durch die wundervolle Musik der letzten Jahre verdient. Übrigens: die bisher von Kveikur veröffentlichten Singles Brennisteinn und Ísjaki lassen zumindest eine teilweise Wiedergewinnung der alten Energie vermuten, auch wenn man sich an massenkompatibleren Songstrukturen versucht zu haben scheint. Ob damit aber auch eine anscheinende Kommerzialisierung und somit Verwässerung der Musik dieser wunderbarsten Band einhergeht, und ob Kjartans Ausstieg und somit der Verlust eines Multiinstrumentalisten, der sehr viel zum Sound der Band beisteuerte, nachhaltig negative Auswirkungen hatte, sind noch nicht klärbare Unwägbarkeiten. Die vorerst beste Antwort auf alle entstandenen Fragen wird aber neben der aktuell anlaufenden Tour vor allem Kveikur geben können. Und das ist ab morgen zu haben. Die Erwartungen sind hoch.
Keine Kommentare vorhanden