KRITIK: Martin Herzberg & Felix Räuber – The Art Of Dreaming
Der in Dresden aufgewachsene Komponist, Sänger und Produzent Felix Räuber war Frontmann der Indie-Pop-Band Polarkreis 18, die Anfang der 2000er Jahre als Support für die Smashing Pumpkins, Depeche Mode oder Wir sind Helden durch Europa tourte.
Zusammen mit dem in Berlin geborenen Pianisten Martin Herzberg, der sich bei der Komposition seiner bewegenden Klaviermusik zum Davonträumen, zum Nachdenken und sich Dahintreiben lassen durch die Filmmusik von Hans Zimmer, Thomas Newman oder James Horner und den Songs von Phil Collins, Sting oder Marc Cohn inspirieren lässt, ist ein unglaublich entspanntes träumerisches Album für alle entstanden, die einen einfachen Weg zur Entspannung und Entschleunigung suchen.
Das Gemeinschaftsalbum von Martin Herzberg und Felix Räuber, das auf dem Klassik-Label Neue Meister erschienen ist, präsentiert elf Stationen auf einer Reise ins Innere. Ihre gemeinsamen Kompositionen auf The Art Of Dreaming bieten ein wunderbares Programm: Entschleunigung, Introspektion, Nachhausekommen. Das ist anspruchsvolle Pop-Musik der besonderen Art mit Cross-Over-Potential in den erweiterten Rock-, Jazz- und Klassikbereich, denn hier trifft Klaviermusik auf Electronica und das mit emotionalen Vocals.
Schon der Opener Stay Here, bei dem die Cellistin Anne Müller das erste Mal auf dem Album mitwirkt, ist eine hochemotionales Duett der beiden Protagonisten. So traumverzaubernd, wie sich die Stimmen und Klänge ineinander verweben und eins werden. Die Seele wird weit, das Herz geht auf.
Das kurze Instrumental-Stück Falling ist an der zweiten Stelle im Album genau richtig, um die eben erweckten Emotionen wieder einzupegeln und Platz für neue Erfahrungen zu schaffen. Es folgt der eingängige und langsame Track Silence, den Felix Räuber gekonnt über die 5 Minuten Laufzeit trägt. Der anschließende Instrumental-Track Timeless ist eine eindeutige Hommage an die als Referenzen genannten Filmmusik-Komponisten und ein wunderbar vielfältiger Song.
Mit dem Track Into The Deep kommt der fundamentale Punkt in diesem Traumzyklus. Man befindet sich gefühlt im Herzen des Ozeans, im Auge des assoziativen Bilder- und Gefühlssturms. Bilder tauchen auf, flüchtig, in Zeitlupe – und dann doch wieder rasend schnell, fieberhafte vier Minuten und neunundzwanzig Sekunden lang. Getragen wird das Stück von einem Klavierfundament, das die Viertelnoten stoisch in der Landschaft pulsieren lässt. Wie auch bei den anderen Stücken beweisen Felix Räuber und Martin Herzberg ein grandioses Gespür für Dramaturgie, für das Changieren zwischen Reduktion und Verdichtung. Wellenartig ergießt sich das Stück in sich selbst. Bäumt sich zu einem rauschhaft emotionalen, durchwegs cineastischen Höhepunkt auf. Into The Deep ist ein einziger wunderbarer Zen-Moment. Ein Moment der Erfüllung in der Leere.
Bei Door in my Soul übernimmt Martin Herzberg den beginnenden Leadgesang und der Song hat eine unglaublich starke Präsenz und Dichte, die nahezu beklemmend wirkt. Ein schönes Beispiel dafür, wie man nur durch den Tausch der Gesangsstimmen emotionale Wirkungen erzielen kann. Ein wundervolles, tiefgründiges Lied, dass in Erinnerung bleibt.
Es folgen ab diesem Punkt des Albums nur noch Instrumentalstücke, was eigentlich etwas schade ist. Das kurze Instrumental-Stück Night Waltz eröffnet den Reigen. Es folgt das monumentale Film-Musik-Epos Liminal Space und die beiden Instrumental-Tracks Lullaby und In Sleep. Mit den Track Awakening läuft der Traum langsam, aber stetig seinem Ende entgegen. Man atmet durch, schaut sich um – und bemerkt: Man ist wieder im Alltag gelandet. Das Surreale fühlt sich plötzlich real an, die Realität irgendwie fremd.
Ein wunderbares Album für Menschen, die es genießen können Ruhe zu ertragen und Emotionen zu fühlen. Gerne hätte man aber von den beiden Protagonisten etwas mehr gehört.
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