Wassermanns Fiebertraum – Brandung EP
Man stelle sich einmal vor, ein Bekannter kommt auf einen zu und legt einem eine tolle neue EP ans Herz.Sie heiße ‚Brandung‘ und stamme von einer Band namens ‚Wassermanns Fiebertraum‘. Man würde diesem Bekannten vermutlich gegebenenfalls sagen, man stehe nicht so sehr auf Pirate-Metal oder deutschen Folkpop mit Seemannsthematik – ausser natürlich, man steht eben doch auf Pirate- Metal oder deutschen Folkpop mit Seemannsthematik.
Dieser Bekannte würde dann aber sagen, man solle sich das ganze doch mal anhören, man wäre vermutlich überrascht. Ein erster Blick auf die Tracklist zumindest überrascht einen jedoch nicht wirklich – ‚Jetzt oder nie‘, ‚Herzdämmerung‘ und ‚Flackerndes Sonnenlicht‘ lassen in Kombination mit dem Bandnamen schon fast Texte über Meeres- ungeheuer, Kaperfahrten, verlorene Liebe, das rauhe Leben auf See und viel Bier im Ohr erklingen. Aber weit gefehlt. Der Bekannte sollte nämlich recht behalten: Es gefällt. Und zwar sehr. Denn schon nach dem ersten Hören wird klar: Hier gibt’s keine Texte über glorreiche Seeräuber, auch keine über versunkene Schätze, auch keine über Bier, sondern schlichtweg garkeine Texte. Bei Wassermanns Fiebertraum handelt es sich nämlich nicht etwa um eine deutschsprachige Alestorm-Coverkombo, sondern um eine Post-Rock-Band aus Regensburg, die ihr Handwerk wahrlich versteht. Und dieses Handwerk hat nun mal so garnix mit Piraten zu tun: Instrumentaler, melodischer und zugleich brachialer Post-Rock der auch im Vergleich mit weitaus bekannteren internationalen Bands durchaus überzeugen kann.
‚Jetzt oder nie‘ klingt so beispielsweise zwar ein wenig nach God Is An Astronaut – oder eher: nach God Is An Astronaut, die ihr gesamtes Digitalequipment zuhause in Irland vergessen haben und nun gezwungen sind, sich fast ausschließlich auf Gitarre, Bass und Schlagzeug zu beschränken. Was hier und auf der gesamten Scheibe nämlich aus den Boxen kommt, klingt analog, erdig und wuchtig. So auch Nummer 2, ‚Herzdämmerung‘, das stellenweise monoton-kopfnickend daherwuchtet, um sich dann eins aufs andere Mal in einem durchaus ordentlich Klimax aufzulösen. Das dritte und leider auch schon letzte Stück, ‚Flackerndes Sonnenlicht‘, prügelt einem dann in gerade einmal zweieinhalb Minuten nochmal staccatomäßig ein, dass man Wassermanns Fiebertraum erstmal nicht aus den Augen verlieren sollte. Überraschend gut sind nämlich die drei Stücke der Regensburger und machen Lust auf mehr. Die nicht gerade überladene EP zeigt nämlich trotz ihrer Kürze, dass es sich bei Wassermanns Fiebertraum um eine Band handelt, von der man in Zukunft durchaus noch viel hören könnte. Zwar wird auch hier dasPost-Rock-Rad nicht neu erfunden, aber es wird doch mal schwungvoll dran gedreht oder – man möge die erneute Seefahrtsmetapher verzeihen – zumindest ein wenig frischer Wind in die immer wieder zu erschlaffen drohenden Segel des Post-Rocks geblasen. Die Brandung-EP bietet sogesehen auch einen guten, kostenlosen Vorgeschmack auf das ebenfalls überraschend gute Album gleichen Namens, das es auf der Bandcampseite von Wassermanns Fiebertraum anzuhören gibt.
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