KRITIK: Mastodon – Hushed and Grim
Auf der Internetseite der Grammy Awards steht ein Zitat von Mastodons Schlagzeuger Brann Dailor:
We’ve never been interested in writing [our] previous record ‚Part 2‘.
Ein Motto, dem die Musiker aus Atlanta auch beim ersten Doppelalbum ihrer Bandgeschichte treu bleiben, wenngleich der Bruch mit den Erwartungshaltungen bei Mastodon sicherlich schon mal größer ausgefallen ist. In Anbetracht des Vorgängers Emperor Of Sand haben Mastodon auf Hushed and Grim ihr Songwriting allerdings nochmal weiter voran getrieben, insbesondere was Gesangsmelodien, atmosphärische Dichte und ihre kompositorische Vielfalt angeht.
Wer Mastodons Hinwendung zum Klargesang heute immer noch nicht nachvollziehen kann, der wird allerdings auch mit dem neuen Album nicht glücklich werden, und versteht dabei nicht, dass es gerade diese Abkehr von Growls und Howls war, die Mastodons immensen Abwechslungsreichtum ausmacht und die Band aus Genrezuweisungen herauslöste. Wenn man so will, sind Mastodon eigentlich sowas, wie die Dialektik ihrer selbst. In der Synthese jedes neuen Albums leben auch die vorangegangenen weiter. Hört man alte Stücke wie bspw. Battle At Sea, Trainwreck, Trilobite oder Elephant Man, stellt man fest, dass vieles von dem, was Mastodons Sound heute ausmacht, früher schon fester Bestandteil war und dann mit Leviathan in den Vordergrund trat und fortan immer weiter entwickelt wurde.
Auf Hushed and Grim finden sich demnach auch natürlich so einige harte und schwere Passagen (z.B. Endpart vom Opener Pain With An Anchor, Savage Lands, Refrainpart Sickle and Peace) und vielleicht sogar einige ihrer besten Gitarrenriffs und- hooks überhaupt (The Crux, More Than I Could Chew, Pushing The Tides).
Demgegenüber gibt es auf Hushed and Grim allerdings auch so viele eingängige Refrains und Chorusse, wie auf keinem Album zuvor. Und da Mastodon bekanntlich über gleich 3 charismatische Sänger verfügen, macht gerade hierbei der wechselnde Einsatz der Stimmen von Brent Hinds, Troy Sanders und Brann Dailor den ungeheuren Reiz ihrer Songs aus.
Auf der zweiten Hälfte von Hushed and Grim, die insgesamt etwas ruhiger und sphärischer verläuft, gibt es mit Had It All sogar eine ruhige Ballade. Gobblers of Dregs versprüht wieder eine proggigere Atmosphäre und Peace and Tranquility eröffnet mit einem vertrakten Riff à la Blood Mountain und driftet dann um in eine von großartigen Gesangslinien dominierte Prog-Rock-Nummer. Auf Dagger begibt man sich mit spacigen Synthesizer-Klängen, die immer wieder als Untertöne auf Hushed and Grim zu finden sind, in leicht orientalisch daherkommende Soundgefilde und das coole Bass-Solo von Troy Sanders auf Teardrinker soll hier natürlich auch nicht unerwähnt bleiben. Was allerdings dieses Mal fehlt, ist ein Auftritt von Langzeit-Kollaborateur Scott Kelly (Neurosis), der in der Vergangenheit üblicherweise immer Gastvocals beigesteuert hat.
In einigen Passagen von Hushed and Grim ist sogar auch eine gewisse soundtechnische Nähe zur 2017er EP Cold Dark Place auszumachen und man merkt dem Album eine etwas gedämpfte Stimmung an, was nicht verwundert, da das Album unter dem Verlust des langjährigen Freunds und Managers Nic John entstanden ist.
Alles in allem holen Mastodon auf ihrem achten Longplayer zum großen Rundumschlag aus und präsentieren in 15 neuen Tracks und über 80 Minuten Spielzeit ihr bisher abwechslungsreichstes Album, das nahezu alle Facetten ihres bisherigen Schaffens auf einen kreativen Höhepunkt bringt. Ein Album, das keine Wünsche offen lässt.
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