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KRITIK: Cult Of Luna – The Long Road North

Cult Of Luna – The Long Road North

Zwei Schritte in wie angegossen sitzenden, Eiszeit tauglichem Schuhwerk nach vorn und einen wieder zurück. Sich gleichzeitig vorwärts wie rückwärts zu bewegen, weder stehen zu bleiben, noch zu stagnieren, steht selbstredend für eine der härteren konstant existierenden Bands aus Umea, Schweden.

Grundsätzlich gesehen mehr als unverzichtbare Manifeste auf dem Weg nach Norden, den es zu meistern gilt. Innerhalb von nur zwölf Monaten legen Cult Of Luna nach und schieben dem 2021 erschienenen The Raging River nun The Long Road North in Richtung Frühling. Da wo vor einigen Jahren noch blanke Gitarrenwände im Wechsel mit träumerischeren Passagen abrupt ineinanderflossen, regiert aktuell eine Dynamik, die vielmehr alle Elemente verstärkt nebeneinander in die Kälte eines schwedischen Wintereinbruchs schickt und so miteinander modulieren lässt, das allein der Gedanke an die Komplexität einer einzigen Aufnahme-Session, jeden Blutstropfen in den Adern gefrieren lässt. A Dawn To Fear klang im Ergebnis zwar melancholischer, aber härter als Vertikal und Mariner zusammen, trumpft hierbei zusätzlich hinsichtlich seiner Stimmung und musikalischer Feinheiten auf, die eine Einheit bilden, wie in Jahrtausend alte Schichten aus Eis und Schnee eingeschlossene analoge Orgeln und akustische Instrumente. Die Verwendung von elektronischen Keyboards trat konsequenterweise etwas den Rückzug an, vervielfältigte sich im Gegenzug die Instrumentierung jedoch immens. Überraschend hierbei sei die Randnotiz zu verankern, das jeder einzelne gespielte Ton ohne jegliche Gastbeiträge entstanden worden war.

11 Tage lang genossen die Jünger des Cult Of Luna bei Ocean Sound Recordings in Norwegen, weit abgeschlagen an der kühlen Küste die dazugehörigen Aufnahmen. Entgegen kleinerer Schwierigkeiten ob der Länge des Albums, musste dieses genauso erscheinen, da die Herausnahme eines einzelnen Songs die komplette Dynamik zerstört hätte.

The Raging River knüpfte nahtlos in puncto Qualität an den Vorgänger an, nur hatten sich viele etwas mehr von Mark Lanegans Feature erhofft. Inside Of A Dream, mit dem sie sich einen lang gehegten Traum erfüllten, fungierte aufgrund seiner musikalischen Ausrichtung eher wie ein Intro das schon fast leise und zurückhaltend einen sehr großen Kontrast bildete und das Rückenmarks erschütternde I Remember einläuten würde. Nichtsdestotrotz wurde es ein schöner Track und eine willkommene Auflockerung der Verdammnis.

Die Grundbasis der langen Wege nach Norden bilden nicht vollendete Aufnahmen aus der A Dawn To Fear Session, die Pandemie bedingt leider nicht in Alesund, Norwegen den Pass nach Schweden überquerten.

Daniel Berglund, der schon dem Schlagzeug Sound auf Raging River schusterte, wurde erneut kontaktiert die Percussions in Szene zu setzen und die Band würde das Album in den Second Home Studios, Standard mäßig selbst produzieren. Einzig das Mastering wurde an Ted Jensen abgegeben, der in der Vergangenheit durch Arbeiten für Helmet, Talking Heads The Dead Boys in Erscheinung trat.

Erneut kreuzen Gastmusiker:innen für besondere Überraschungsmomente ihren Weg und helfen Johannes Person und seinem Gefolge ihre Vision sichtbar werden zu lassen.

Das Überraschungsmoment sei somit diesseits der langen Reise inbegriffen. Von der Gipfelformation herab, ertönt in Cold Burn ein elektrisch verfremdet anmutendes Signalhorn das sich immer wieder in Intervallen, in Erinnerung bringend, den Aufbruch nach Norden verkündet. Alles klingt vertraut und wie zuletzt vertieft melancholisch, apokalyptisch ohne das Licht hinter der Gebirgskette außen vor zu lassen. Verschachteltes Schlagzeug, ausufernde Berge von aufeinander geschichteten Gitarrenwänden die noch ausgeklügelter zu Rande gehend, ihr Augenmerk auf erinnerungswürdige Riffs legen.

Eine mit Elektroden getränkte metallische Beschichtung scheint sich über die Soundlandschaften zu ziehen, die das Ohr über die gesamte Spielzeit begleiten wird.

Danach packt The Silver Arc sofort ohne große Umschweife zu, schwappt in einen Marschtakt über, lässt ihn gegen ein schräges Gitarren Riff duellieren und kehrt zu seinem steinigen Hauptthema zurück dessen Klang nicht dichter sein könnte. Mariam Wallentin, Schwedin und Sängerin verkündet mit Beyond 1 sozusagen schwerelos das hereinbrechen der anstehenden Nacht unter freiem Himmel. Die Gitarren sind kaum spürbar, das Schlagzeug verstummt, jegliches Geschrei wie vom Erdboden verschluckt, gehört das weite Feld ganz und gar der international anerkannten Multi Instrumentalistin.

Es wird Winter im Skandinavischen Gebirge und An Offering To The Wild verabschiedet die letzten Vögel gen Süden, in dem die Instrumente den Vorrang innehalten bis der Gesang sporadisch umso infernalischer zuschlägt. Über Minuten schieben sich hier die Gitarren die Bälle hin und her und die einleitende Gitarrenmelodie schlägt positiv die Verbindung zum Einstiegsthema von The Fall der A Dawn To Fear den würdigen Abschluss setzte. Der erste Teil der zweiten Überraschungwird hier Colin Stetson zuteil, der sich für Tenor, Bass Saxophon, Flöten und ähnlichen Instrumenten aus seinem Reisekoffer auspackt.

Into The Night fräst sich übergreifend sofort in meine Synapsen, macht Gebrauch von klarem Gesang und erstreckt sich über knapp sieben Minuten unverzerrt und Traum fördernd, ausufernd bis wir den Flussausläufer erreicht haben. Ein Grund dafür, das nach wenigen Sekunden der Wiedererkennungswert einsetzt, könnte darin begründet sein, das die Melodie der einen Gitarre mich zufällig an A Rock House For Bobby von I Like Trains erinnert.

Weiter Richtung Nordkap, bereitet uns The Full Moon auf den bevorstehenden Anstieg des höchsten schwedischen Berges Landkap vor. Mit elektrischer Begleitung schleift das Schlagwerk im Minimaltakt völlig ausgelassen und instrumental seinem Ausbruch entgegen und mündet direkt in The Long Road North. Dieser wird von Tönen begleitet wird, wie Züge sie verursachen, die die Gleise entgegengesetzt und quer passieren wollen.

Nach einer kolossalem Spannungsschraube setzt der Gesang ein, der unterstützt von doomigen Druckpunkten und unzähligen Trommelwirbeln die Bergspitze endgültig erklimmt.

Über dem sich öffnenden Tal schießt Blood Upon Stone sozusagen den Vogel ab, denn Christian Mazzalai und Laurent Brancowitz, Mitglieder der Band Phönix reiten zusammen mit ihren Freunden dem Sommer entgegen. Unendlich euphorische Töne entlocken quasi 8 Musikern ihren Instrumenten, die so ziemlich mit allen Facetten des Kults aufwartet und Ruhe vor Sturm durch den finalen Akt mit einer Druckwelle krönt, wie sie symphonischer kaum hätte ausfallen können. Nach dieser detaillierten, kompositorischen Macht Demonstration, die fast an das Ende ihrer Reise, des Weges nach Norden angekommen ist, untermalt Colin Stetson schon Drone – Ambient artig ein Outro, das uns einfach nur sprachlos zurücklässt wohin denn die nächste Reise von Johannes, Frederik, Andreas, Kristian, Magnus und Thomas führen wird.

Cult Of Luna sind weiterhin Cult Of Luna und veröffentlichen ein Album, das Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichermaßen in sich mehr als stimmig zu vereinen weiß. Querverweise, diverse Überraschungen sitzen an der richtigen Stelle und geben Anlass für baldige Ersatztermine für die verschobene Tour.

Bleibt zu hoffen, dass Cult Of Luna uns in der Form noch lange erhalten bleiben.



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