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Jaga Jazzist – Starfire

Jaga Jazzist – Starfire

Mit dem ersten Studioalbum seit 5 Jahren könnte Jaga Jazzist wieder einmal der Spagat zwischen Kritikerlieblingen und Subkulturhelden gelingen. Und zwar mehr denn je. Was folgt auf die 2002 erhaltene Ehrung von BBC für das beste Jazz-Album wohl im Jahr 2015? 

„Starfire“ ist jedenfalls das am wenigsten jazzige Album der norwegischen Vorreiter der Nu Jazz Szene. Während auf dem Vorgänger „One-Armed Bandit“ noch ein ganzes Arsenal an akustischen (Blas-)Instrumenten in Manier von 70er Prog-Rock-Bands aufgeboten wurde, so liegt hier ein Fokus auf druckvollem, elektro-affinen Sound und Synthesizer-Salven die man mit Adjektiven von krächzend bis ächzend beschreiben könnte.

Der unverkennbare Jaga Jazzist-Sound allerdings bleibt bestehen durch die Wärme und das filigrane Spiel großartiger Jazzmusiker, die von Beginn an zu einer intensiven Einheit mit den elektronischen Elementen verschmelzen. So auch im titelgebenden Opener: Gerade wenn man beginnt sich auf den dezenten Swingbeat kopfnickend einzugrooven folgt nach einem unauffälligen aber doch zwingenden Übergang ein irrwitziger Synthesizer-Break und das Feuerwerk ist eröffnet. Synkopen, Dynamik und eine Spur Wahnsinn. Großartig.

Mit „Big City Music“ folgt das Herzstück des Albums. Die Komposition bringt es auf stolze 14 Minuten und die Musiker dahinter dürften wohl nicht minder stolz darauf sein, dass von diesen 14 Minuten keine Sekunde überflüssig erscheint. Einem basslastigen Teppich an Sounds entspringt ein im ersten Moment deplatziert wirkender Break, der seine Daseinsberechtigung eigentlich erst in der darauffolgenden melancholischen Akustikgitarre erhält. In weiterer Folge gibt es erhabene, bläsergetragene Melodien, die sich in ungeahnte Höhen emporschrauben, um sich dann trotz komplizierter Tonfolgen in den Gehörgängen längerfristig niederzulassen.

„Shinkansen“ wird dann doch zur ersten Spielwiese für die Bläser. Vermessen, wer denkt, die Norweger hätten verlernt Tuba, Posaune und Konsorten zu spielen. Auch an ein Euphonium werden die Lippen angesetzt. Ja, das ist ebenfalls ein Blasinstrument und zwar aus der Familie der Bügelhörner. Doch während man versucht sich an seinen Musikunterricht zu erinnern, drückt bereits wieder der Bass-Synthesizer dem Finale entgegen.

Dennoch liegen noch immer nicht alle Karten auf dem Tisch. „Oban“ wartet mit viel Rhythmusarbeit auf und heißt nebenbei auch noch Violine und Cello im Klanggefüge willkommen. An diesem Lied zeigt sich auch beispielhaft, wie wunderbar transparent der in New York veredelte Sound ist. Einzelnen Instrumenten auf Liedlänge lauschen und währenddessen sowohl die Vorzüge akustischer Wärme als auch elektronischer Definiertheit genießen? Geht. Auch verträumte Melodieführungen und hektische Soundmodulation bedeuten hier keinen Widerspruch.

„Prungen“ beendet das Album wieder mit Tonfolgen, die einen im ersten Moment zweifeln lassen, ob da wohl etwas hängen bleiben wird. Nach mehrmaligem Durchlauf des Albums beginnt man pfeifend und summend an seinen Einschätzungsqualitäten zu zweifeln. Oder aber die Einschätzung der Fähigkeiten dieses Musikerkollektivs auf eine ganz andere Stufe zu stellen.

„Starfire“ ist wie aus einem Guss, manchmal auch wie von einem anderen Planeten, und zwar so einem, der sich in der Musikgalaxie nur schwer einordnen lässt. Somit wäre auch dem Artwork noch Rechnung getragen. Leute, die sich generell als Musikliebhaber ohne Genrescheuklappen beschreiben würden und hohe musikalische Qualität einfach wertschätzen, sollten sich unbedingt dieses Album anhören. Hier steckt in fünf Kompositionen mehr Musik als andere Bands in ihrer ganzen Diskografie unterbringen.




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