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Vinyl Galore & Plattenspieler

Crimson Mourn – Bring Your Desires Here

Einmannbandpostrock

Piano. Das ist das erste, was man von Bring Your Desires Here von Crimson Mourn zu hören bekommt. Aber der Allerersteindruck täuscht – wer denkt, dass es sich hier um eine entspannte Platte voller leiser Pianoklänge handelt, wird vermutlich überrascht sein. Zwar klimpert es erstmal ein, zwei Minuten munter vor sich hin, doch schon kurz darauf erkennt man, worum es sich hier wirklich handelt: Der erste Track, ‚Moments Collapsing The Eternity‘, wartet nach eben diesem kurzen Intro mit allen Zutaten zeitgenössischen Postrocks auf. Von delayschweren Gitarrenlinien über wuchtige Riffs, (wenn auch minimalistisch eingesetzte) Sprachsamples und paar Elektrobeats bis hin zu sogar Streichern sowie natürlich einer großen Menge von Effekten ist hier vermutlich alles vertreten, was sich ein Fan von Maybeshewill, pg.lost, God Is An Astronaut und an manchen Stellen sogar Mono wünschen könnte – und das auf stolze 12 Minuten ausgedehnt, ohne dass es Langweilig wird.

Auch das zweite Stück, ‚A Song To Whisper The Silence‘, verfestigt diesen Eindruck weiter: Zwar immerhin nicht wirklich kürzer als das erste Stück, ist es ebenfalls nicht wirklich weniger kurzweilig. Stattdessen wirklich solider Postrock mit einigen Überraschungsmomenten sowie viel Abwechslung – und sogar ein klein wenig Gesang. So wirkt der dritte Track namens ‚Your Heart Beats Like Mine‘, das als drittes folgt, inmitten der Soundwände schon fast wie ein kleines, ein wenig folkiges Zwischenstück. Darauf folgt als vierter Titel das durchaus nicht unkompliziert betitelte ‚Underneath This Sea Of Broken Stars (To Sail Across)‘, das schon in von den ersten zwei Titeln gewohnte Kerben schlägt, wenn auch ein wenig sphärischer und digital klingender.

Die elektronische Richung behält Crimson Mourn dann scheinbar auch erstmal ein wenig bei: So folgt erst ‚All Those Bombs Are Fireworks Now!‘, der fünfte Track, der schon irgendwie als Uptempodigitalpostrock bezeichnet werden könnte, bevor der sechste Track diese Entwicklung konkret weiterverfolgt und ‚Kids On The Moon‘ getauft entspannte, sphärische Elektroklänge mit den bereits bekannten Postrockdelaygitarren mischt. Mit der Beschwingtheit ist es dann aber auch erstmal vorbei, werden doch für den vorletzten Track ‚Sleep, Don’t Wake Me Up‘ die Streicher erneut aus dem Koffer (oder dem digitalen Synnthesizerordner) geholt, um eine düstere, getragene Ouvertüre für einen Dreizehnminüter zu spielen, der noch mal alle Postrockregister zieht und tatsächlich auch noch mit zweistimmigem Tremolo Picking (und einer dritten oder sogar vierten Gitarre?) aufwartet. Alles kombiniert und geschichtet kulminiert dann – ebenfalls wiedermal postrocktypisch (ohne geht’s schließlich nicht!) – in einem wuchtigen Klimax, bevor es still wird und tatsächlich wieder ein Paar ferne Vocals aus den Lautsprechern wabern und die Streicher und einige Effekte das (vor)letzte Wort haben. Wie passend, dass das letzte Stück ‚The Beauty Of The End‘ heißt und tatsächlich schön mit ein Paar Ambient-Passagen auf das Ende überleitet.

Man könnte sagen, dass Crimson Mourn definitiv eine vielversprechende Band ist, die man weiter auf ihrem Weg verfolgen sollte – mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass es sich hier nicht um eine Band handelt, sondern das vollständige Album von einem talentierten jungen Spanier nach Selbstauskunft mit „cheap and worthless materials“ erschaffen wurde. Einmannbandpostrock, sozusagen. Nun, weder Wert der verwendeten Instrumente und Hardware noch die Anzahl derer, die sie bedienen, schmälern den positiven Gesamteindruck des Albums. Mit gerade mal 17 Jahren veröffentlichte Mauro Beltran aus Valencia sein erstes Album, bei Bring Your Desires Here, vor kurzem beim Pretty in Noise Netlabel erschienen, handelt es sich also um sein zweites Werk in Albumlänge, das durchaus beweist, wie viel Potenzial in dem nun mit 18 Jahren immer noch sehr jungen Spanier steckt – und, dass man durchaus noch mit mehr Musik aus seiner Feder rechnen kann und sollte.



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