Collapse under the Empire – Shoulders and Giants
Zackig vertrackte Drumrhythmen reißen vom ersten Takt an dermaßen mit, dass der eigene Körper beim Hören unbewusst als Bodypercussion herhält. Songbegleitend ein dominantes und dynamisches Gerüst, auf dem die hallenden Gitarren selbstsicher mit lebendigen Beats spielen können.
Es ist das altbewährte Lied vom Postrock, das vielerorts gespielt, sich selbst von einer charakteristischen Formgebung zur beliebigen, weil vorhersehbaren Allerweltsformel zu degradieren droht: Unspannende antithetische Strukturen und spannungsdehnende Songüberlängen nach Baukastenprinzip. Stagnation. Ermüdung. Übersättigung. Zwischen Einszueins-Kopien, die klischeehafter agieren als ihre Vorbilder, tummeln sich die, die dem heterogenen Verschwommenheitsbild neue Impulse zu verleihen versuchen, die aber an Halbundhalbideen scheitern oder über das selbst auferzwungene Komplexitätsdiktat stolpern. Andere lungern nur um die modische Etikettierung herum, um davon zu profitieren. Wieder andere wühlen unverblümt in ollen Schubladen, präsentieren den Klau als nie dagewesenes Revoluzzererglanzstück. Noch andere verfallen wirklich der Reformierungswut, schmeißen Dogmen aus dem Proberaum, sterben dort aber einen Märtyrertod. Bevor man sich dramatisierend im Pessimismus suhlt, kommen COLLAPSE UNDER THE EMPIRE erfrischend, denn hervorstechend straight um die Ecke, bieten einen überzeugenden, weil so sehr groovenden Strohhalm an und huschen damit schnurstracks in Richtung Alleinstellungsmerkmal. Wo das ähnlich kompakte „Find a Place to Be Safe“ noch zu großzügig von anderen Genrevertretern zitierte, schafft es der neue Silberling, bekannte (GOD IS AN STRONAUT-assoziierte) Elemente in unverbrauchte Eigentümlichkeiten auszudrücken. Soeben in den Läden bildet „Shoulders and Giants“ den ersten Teil eines Doppelkonzeptalbums, dessen Fortsetzung „Sacrifice and Isolation“ 2012 folgen soll. Part 1 dieses zweiteilig konzipierten Outputs befasst sich mit existenziellen Themen wie Leben, Tod und Freiheit und erzählt seine Geschichten ohne Worte mit einer düsteratmosphärischen Symbiose aus flächigen/riffigen Gitarren, betörenden Synthiesounds, druckvollem Drumgroove und bewegenden Elektrosamples. Eingebettet in eine tendenziell verdunkelte Grundstimmung beginnt der Einstieg in einen futuristischen Kosmos mit „Shoulders“: funkelnde Synthesizer und erst filigrane, dann flirrende Gitarren finden sich. Zackig vertrackte Drumrhythmen reißen vom ersten Takt an dermaßen mit, dass der eigene Körper beim Hören unbewusst als Bodypercussion herhält. Songbegleitend ein dominantes und dynamisches Gerüst, auf dem die hallenden Gitarren selbstsicher mit lebendigen Beats spielen können. Schmeichelnd akzentuiert schlängeln sich die elektronischen Spielereien weiter durch „Giants“ bis sich Gitarrenflächen durch alles durchwirbeln und Platz machen für eine kleine Synthiemelodie, mit der sich leichtfüßig vorausliegende Berge erklimmen lassen. Von dort aus kann man auf’s spacig-schwelgische Highlight „The Sky is the Limit“ blicken, in dem man von Freiheit gefangengenommen wird. Stampfendes Schlagzeug, flinke Gitarrenlayer plus sanfte Tastentupfer wachsen zu einem Flug durch Wolken an. Frei flottierend himmelwärts. Von den Drumklängen aufgefangen wieder taumelnd gen Erde. Dort setzt „Incident“ einen ganz eigenen Höhepunkt mit A-ha-Effekt. Nachhaltig: Gerade erst die Split-EP „Black Moon Empire“ mit den russischen Mooncake veröffentlicht und der Compilation „Emo Diaries“ des Ami-Labels Deep Elm einen Track (“Anthem of 44”) beigesteuert, sorgte das international kollaborierende Hamburger Duo auch für den Soundtrack („The Silent Death“) des Kurzfilms „Sharks don’t Cry“ der Haischutzorganisation Sharkproject. In der Tat könnten die Songs von Chris Burda und Martin Grimm in jeder Doku laufen, die uns die Welt erklärt; unberührte Flecken zeigt, die Unverwundbarkeit ausstrahlen, tatsächlich aber um ihre Existenz kämpfen. Mit dem ambient-trippigen „Days of Freezing“ in Reverse Motion durch den Schnee stapfen. Mit „A Riot of Emotion“ – und Synthies, die im musikalischem Gedächtnis wie Flashbacks aufblitzen – durch Rapid Cuts das erschnellende Gefühl der Endlichkeit visualisieren. Cool aber nie unterkühlt, synthetisch, aber nie steril, immer pulsierend und auf den Punkt, steigt mit dem Pilot definitiv die Spannung auf das Sequel. Ein bisschen mehr Mut zur Variation und es kann sich nur noch weiter freigeschwommen werden.
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