Skip to main content

Vinyl Galore & Plattenspieler

Black Lips – Satan’s Grafitti Or God’s Art?

Black Lips

Ist das Kunst oder kann das weg? Die Black Lips bringen ein Konzeptalbum auf die Welt, ziehen es anschließend durch den Dreck und setzen es zuletzt dem Hörer zur Bewertung vor. Verwirrung und Hin- und Hergerissenheit nicht nur geduldet, sondern erwünscht.

Ein schneller Blick auf die Tracklist lässt Augenbrauen hochschnellen: Zu sehen sind Begriffe wie „Overture“, „Interlude“ und „Finale“ – sind hier etwa tiefgreifende Strukturen zu finden, vielleicht ein Narrativ? Sind die LoFi-Garagenpunker etwa in die Hochkultur hineingerutscht und schreiben ab jetzt nur noch große Queen- und Pink-Floyd-artige Rockopern? Die kurze Antwort vorweg: Auf keinen Fall. Es geht eher in die andere Richtung: Sieht man mal von den dekadenten Opern- und Theater-Termini ab, findet man keine Zusammenhänge in Satan’s Grafitti Or God’s Art?, dem achten Album der Band, die statt als Quartett nun zu fünft ihren Weg beschreitet, mit neuen Gesichtern und alten Bekannten im Bandgefüge. Hier fängt das Rätselraten bereits an: Bis zuletzt ist unklar, ob die stolzen 18 Songs wahllos aneinandergereiht sind, oder ob sich dahinter doch noch ein roter Faden verbirgt. Oder ist die Konzeptlosigkeit das Konzept?

Fest steht zumindest, dass die Black Lips sich für den Job den Richtigen in den Produzentenstuhl holten: Sean Lennon, seines Zeichens Sohn von John Lennon und Yoko Ono – die hier als Gastsängerin zu hören ist – und als Avantgarde-Liebhaber in Projekten unter anderem mit Lebensgefährtin Charlotte Kemp Muhl und Primus-Bassist Les Claypool kein Unbekannter ist, wenn es um Unkonventionalität geht. Genau richtig also für solch ein Anti-Konzeptalbum, das nach der träumerischen Overture: Sunday Mourning mit einem wuchtigen, fuzzigen Track beginnt: Occidental Front scheppert sich in seinen knapp drei Minuten durch schwere Riffs, nur um danach leichtfüßig in Country-esker Manier vorzupreschen. Man bleibt dem Sand treu und wechselt nur von der Wüste an den Strand: Can’t Hold On erinnert an Fidlars zynischen Surfpunk in seinen langsameren Momenten. The Last Cul De Sac ruft wieder in Erinnerung, warum die Black Lip als „Flower-Punk“-Pioniere gelten: Der Track klingt, als hätte man Hippies in einer Garage mit Lavalampen und Distortion-Pedalen verprügelt. Nach der ersten Hälfte der Platte lässt sich noch immer kein größerer Zusammenhang finden, außer dass die Songs bisher alle mehr oder minder unaufgeregt dahinmäandern. Das ändert sich glücklicherweise zum Ende hin: We Know findet den Fuzz wieder und durchbricht die Monotonie mit twangiger Retro-Orgel. Spätestens beim Beatles-Cover It Won’t Be Long ist es dann auch egal, ob die Neuinterpretation einfach zusammenhangslos in den Mix gefallen ist, oder ob die Band so genial plante, dass sie in ihre Geschichte sogar ein fremdes Werk einbauen konnten.

Nach mehreren Durchläufen – wenn man es denn überhaupt so weit schafft – ist die Unsicherheit nur noch weiter gewachsen: Man mag Satan’s Grafitti Or God’s Art? einfach zu gern nicht gut finden, viel zu eintönig und lang ist das Album, man will die nölenden Stimmen der Sänger aus dem Ohr bekommen – doch sobald man das akzeptieren möchte, fühlt es sich an, als hätten die Black Lips gewonnen. Die passendste Antwort auf die Frage, ob Satan’s Grafitti Or God’s Art? nun wertvolle Kunst ist oder nicht: einfach gar nicht fragen.



Ähnliche Beiträge

Sophia – As We Make Our Way (Unknown Harbours)

Sophia

Seine Formel hat er schon vor einiger Zeit gefunden, mit dem neuen Album „As We Make Our Way (Unknown Harbours)“ festigt Robin Proper-Sheppard, seines Zeichens Kopf der Indierocker SOPHIA, diese noch weiter. Gut für ihn, dass er seine Nische gefunden hat – für den Hörer allerdings lassen sich bereits Abnutzungserscheinungen erahnen. Seit 20 steht Sophia […]

anorak. – Kalter Frieden EP

anorak.

The Wave ist tot, lang lebe The Wave? Die fünf Jungs von anorak. knüpfen an die totgesagte Hardcore-Bewegung an und haben dann doch noch ihr eigenes Ding daraus gedreht, denn einfach nur wütend und persönlich wäre einfach nicht genug gewesen. Heartcore nennen sie es selbst, was sie da machen: Das Kölner Quintett anorak. ist aktuell […]

CocoRosie – Heartache City

CocoRosie

Das sechste Werk des Geschwisterpaares CocoRosie klingt wie das Lovechild von Feist und James Blake – das so packend und locker daherkommen will wie die Vorbilder, jedoch nicht immer am Ball bleiben kann. Dabei klingen die Rahmenbedingungen für das neue Album doch so vielversprechend: Nach den Ausflügen ins elektronische Spektrum auf den letzten beiden Alben […]

Tengil – Six

Tengil - Six

Sich selbst bezeichnen die vier Schweden von Tengil als „quasi-symphonic post-hardcore“-Band. Das mag schon stimmen, jedoch steckt hinter ihrem Debut-Album Six mehr als nur diese zugegebenermaßen ungewöhnliche Genreschublade. Posthardcore-Bands gibt es heutzutage bekanntermaßen wie Sand am Meer, und mit wenig überraschenden und vorgekauten Genre-Klischees in der Menge unterzugehen ist nicht sonderlich schwer. Im Falle von […]



Keine Kommentare vorhanden


Kommentar verfassen